Insektensterben

Neue Konzepte für die Zukunft von Biene, Hummel und Co.

Was aufmerksame Naturbeobachter schon lange bemerken, ist wissenschaftlich bewiesene Realität: Die Insektenbestände auf dem Globus gehen massiv zurück. Studien belegen für Deutschland drastische Rückgänge nicht nur bei ohnehin seltenen Arten, sondern auch bei Bienen, Schmetterlingen und anderen Insekten, die weitverbreitet sind. Dass die zahlreichen Fluginsekten, Falter und Bienenarten nicht nur Nahrung für zahlreiche Tiere sind, sondern vor allem unverzichtbar für die Lebensmittelproduktion der Menschen, macht diese Entwicklung zu einem bedrohlichen Szenario für das menschliche Überleben. Die Forschungsergebnisse legen Ursachen nahe und weisen darauf hin, wie wichtig es ist, für die Zukunft tiefgreifende Veränderungen im Lebensmittelkonsum anzustoßen.

Das Insektensterben ist Realität

Bereits im Jahr 2018 wurde im renommierten Wissenschaftsjournal PLOS ONE eine Studie mit bestürzenden Ergebnissen veröffentlicht: Nach 27 Jahren der Feldforschung stellten die Forscher der niederländischen Radboud Universität bei den Insekten einen Rückgang von 75% fest. An mehr als 60 Standorten überprüfte man Jahr für Jahr den Bestand zahlreicher Insektenarten – überall mit denselben erschreckenden Zahlen. In ihren Fallen fanden die Forscher einen Großteil der zu erwartenden Insektenarten, jedoch in immer niedrigeren Mengen. Die Hochrechnungen ergaben, dass im Beobachtungszeitraum die gesamte Biomasse an Insekten um Dreiviertel ihrer ursprünglichen Masse zurückgegangen ist.
Klimadaten gehörten ebenfalls zu den Ergebnissen, die die Forschergruppe auswertete. Wetterstationen und Luftbilder aus den untersuchten Regionen wurden genutzt, auch Änderungen der Biotope wurden in die Auswertung mit einbezogen. Es zeigt sich, dass die Klimadaten und die landschaftlichen Veränderungen vor Ort nicht allein verantwortlich sein können für das drastische Insektensterben. Es muss weitere Ursachen geben. Naheliegend ist in einer Kulturlandschaft wie Deutschland, wo Naturschutzgebiete meist relativ klein sind und von Agrarflächen umgeben, eben dort nach den Auslösern für das Insektensterben zu suchen.
Eine Reihe von Veränderungen unserer Umwelt steht im Verdacht, für das Artensterben verantwortlich zu sein. Die wachsende Fläche an versiegelten Gebieten, der Wegfall von Brachen, Grünlandumbruch und großflächige Mahd sowie Überweidung auf den landwirtschaftlichen Flächen gehören dazu. In den letzten Jahren gerät besonders der Einsatz von Insektiziden und Herbiziden in den Fokus der Aufmerksamkeit: So scheint die intensive Landwirtschaft mit all ihren Eingriffen in die Ökologie der Hauptverursacher des dramatischen Insektenrückganges zu sein.

Insekten schützen durch Bio-Landbau?

Naturschützer fordern schon lange einen grundlegenden Wandel in der Landwirtschaft.
Anhand mehrjähriger Untersuchungen, etwa der Zoologischen Staatssammlung in München, lässt sich der Einfluss von landwirtschaftlich genutzten Flächen auf den Insektenbestand immer besser deuten. So zeigt sich, dass auf Gebieten, die im Ökolandbau bewirtschaftet werden, die Bilanz der Arten und der Insektenanzahl deutlich besser ausfällt. Insekten, Spinnen, Falter und andere Arten fanden sich auf ökologisch bewirtschafteten Flächen in deutlich höherer Menge als dort, wo weitläufig konventionell angebaut wurde. Die Ergebnisse solcher Untersuchungen zeigen eindeutig: In Bezug auf Artenvielfalt, Vorkommen gefährdeter Arten und Biomasse bietet der Ökolandbau klare Vorteile.

Nachteile der Bio-Agrarbranche: Wie der Öko-Ansatz mit der Konkurrenz hadert

Für den Anbau von Lebensmitteln braucht der Mensch die Insekten. Doch die Lösung Biolandbau lässt sich nicht ohne Probleme und neue Herausforderungen umsetzen.
Die Betriebe des Öko-Landbaus haben das Ziel, hochwertige Lebensmittel herzustellen, ohne dabei Menschen, Tiere oder die Natur im Allgemeinen auszubeuten. Sie setzen auf ressourcenschonende, nachhaltige Anbaumethoden ohne Pestizide oder Insektizide.
Was für die Natur und damit für die Insekten vorteilhaft ist, bringt aber für den Landwirt einige Herausforderungen mit. Wer ohne die Schädlingsvernichtung aus der Chemie arbeitet, hat zunächst geringere Ernteerträge. Das in Kombination mit der wachsenden Weltbevölkerung und deren steigenden Lebensmittelbedarf stellt die Agrar-Revolution vor große Herausforderungen. Wie kann es gelingen, einerseits genügend Nahrung für die Menschen zu produzieren und andererseits die weniger ertragreiche Bio-Anbaumethode weltweit zu etablieren?
Spätestens an dieser Stelle kommen die Verbraucher ins Spiel.
Schauen wir uns die konventionelle Landwirtschaft am Beispiel Milchprodukte einmal genauer an. Bis heute macht die konventionelle Produktion hier einen Großteil des Marktes aus. Nicht nur Pestizide und Insektizide sind umweltschädlich. Auch die menschliche Angewohnheit, Kuhmilch und Milchprodukte zu konsumieren, sorgt für hohe Emissionen und enormen Flächenverbrauch. Die Emissionen der Massentierhaltung – Hunderte von Kühen, deren Verdauungsapparat klimaschädliches Methan produziert -, der Anbau von Futtermitteln für die Tiere verursacht für die Produktion von einem Liter Kuhmilch im weltweiten Durchschnitt rund 2,4 Kilo Kohlendioxid. Das entspricht etwa der Menge, die auch für einen Liter Benzin gerechnet wird. Transport, Lagerung, Verarbeitung der Milchprodukte sind dabei noch nicht einmal mit berechnet. All das macht die Flüssignahrung Milch zu einem echten Klimakiller.

Nachhaltig essen für den Insektenbestand von morgen


Die negativen Auswirkungen der Fleisch- und Milchproduktion sind inzwischen hinlänglich bekannt. Seit einigen Jahren steigen immer mehr Menschen darum auf Flüssignahrung aus pflanzlichen Alternativen um. Das Beispiel Milchalternativen zeigt schon jetzt, was ein verändertes Konsumverhalten der Verbraucher bewirken kann.
Pflanzenmilch aus Soja, Reis, Hafer oder Erbsen entwickelte sich von einem Trendprodukt zum Standard in jedem Supermarktregal. Noch ist es nicht selbstverständlich, auf die Flüssignahrung aus tierischer Produktion zu verzichten, doch die Statistiken sprechen eine deutliche Sprache.

In Untersuchungen bezüglich der Ökobilanz konnte gezeigt werden, dass gerade Hafer- und Sojamilch deutlich besser abschneiden als die konventionell hergestellte Kuhmilch. Die Zahlen sprechen deutlich für die neuen Pflanzenprodukte: So ermittelte eine Studie für ein Haferdrink-Unternehmen, dass im Vergleich zu halbfetter Kuhmilch eine Hafermilch mit regionalen Zutaten rund 70% weniger klimaschädliche Folgen hat. Der Energieaufwand ist um 40% geringer und die verbrauchte Landfläche gar um 80%. Die Anbieter folgen dem Wunsch der Konsumenten und verwenden immer häufiger regionale Rohstoffe für ihre Flüssignahrung aus Hafer oder Soja, auch der Anteil an biologisch angebauten Inhaltsstoffen steigt kontinuierlich.

Die wachsende Zahl von Menschen, die sich vegan, vegetarisch oder doch zumindest flexitarisch ernähren, kann also einen positiven Einfluss auf die Landwirtschaft und ihre Emissionen haben. Mehr biologisch bebaute Flächen nutzen der Insektenvielfalt, weniger benötigte Ackerfläche wegen sinkenden Fleisch- und Milchkonsums schafft neue Flächen für menschliche Lebensmittel anstatt Tierfutter. Damit bekommt jeder Verbraucher eigene Handlungsmöglichkeiten: Wer von der Flüssignahrung aus dem konventionellen Kuhstall auf Hafermilch oder Sojaprodukte umsteigt, unterstützt damit den dringend notwendigen Umbau der Landwirtschaft hin zu einer umweltschonenden Produktion. Denn hier fällt nicht nur die klimaschädliche Massentierhaltung weg, auch die benötigte Ackerfläche für Pflanzenmilch ist weitaus geringer als die, die für die Milchkühe, Fleischrinder und all die anderen Nutztiere benötigt werden, die den Menschen bisher Fleisch und Milchprodukte liefern.

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